Sehr geehrte BVfK-Mitglieder,
„Ich bedauere sehr Ihnen mitteilen zu müssen, dass ich nicht mehr bereit bin, Ihnen ein Auto zu verkaufen!“
Dieser Satz ist tatsächlich vor einigen Wochen gefallen und die Sache landete auf einem der BVfK-Schreibtische. Ein anderer Kfz-Händler dürfte es inzwischen bereut haben, sein Recht auf Auswahl seiner Kundschaft nicht wahrgenommen zu haben.
Ein Kunde berichtete dem BVfK u.a.:
„…Es geht um ein in 2016 erworbenes, 4-jähriges Fahrzeug der Klasse Mercedes-Benz CLS 350 Diesel, Baujahr 2012, mit AMG-Paket, UNFALLFREI, sehr gut ausgestattet mit LED-Scheinwerfern, Harman Kardon Soundsystem, Navi, Leder, Assistenzsysteme mit Kamera und Rückfahrkamera, Totwinkelassistent, Keyless-Go, innen und außen schwarz, original 19 Zoll AMG Leichtmetallfelgen, 2 Vorbesitzer, Baujahr 03/2012, gekauft mit 4 Jahre, 130.050 km, sehr gut gepflegt, keine Kratzer, keine Macken, kein Taxifahrzeug, kein Raucherfahrzeug, Neupreis ca. 87.000 EUR. Unser Kaufpreis 05/2016 lag bei 35.500 EUR mit vertraglichem Vermerk als lückenlos scheckheftgepflegt. Alle Inspektionen bei Mercedes gemacht. Erst im Nachhinein teilte uns unsere örtliche Mercedes Vertragswerkstatt leider zwei massive Kilometerüberzüge bei der Inspektion mit, welche außerhalb der Mercedes-Benz-Toleranz liegen. Das Scheckheft ist digital. Diese Überzüge und Toleranzen teilte uns der freie, verkaufende Händler leider nicht mit.
Durch eine zweimalige Überziehung von Wartungsintervallen, einmal um 3.500 km, das zweite Mal um 6.200 km Überzug, darf das Fahrzeug diese lückenlose Eigenschaft laut Mercedes allerdings durch die genannten Überzüge nicht mehr führen, gilt NICHT mehr als lückenlos scheckheftgepflegt und hat dadurch auch keinen reibungslosen Anspruch auf mehr auf Garantie/Kulanzleistungen im Schadensfall.
Meine Frage: Wir wurden von einer Schiedsstelle beauftragt, Studien, Richtwerte oder Erfahrungswerte vorzulegen, aus welchen ersichtlich ist oder als Richtwert geschätzt wird, um welchen Betrag oder um welche Betragsspanne ein Fahrzeug in dieser Klasse/Kategorie mit überzogenen Wartungen und dem damit verbundenen Verlust des Begriffs lückenlos scheckheftgepflegt, einen Minderwert (als ungefähren Richtwert) am Markt aufweist. Zwei Bereiche stechen unserer Meinung nach heraus. Zum einen der Wegfall einer möglichen Garantieübernahme im Schadensfall bspw. Bei einem Motorschaden. Zum anderen die Reduzierung der Käufergruppe und damit die Reduzierung des Verkaufspreises, da weniger Käufer ein Fahrzeug mit überzogenen Intervallen kaufen, besonders im Segment der höherpreisigen Oberklasselimousinen. Eckdaten des Fahrzeugs am Ende der Mail.
Die Konzernzentrale von Mercedes in Stuttgart hat sich bereits zum Scheckheft geäußert und nochmals bestätigt, dass das Fahrzeug bei diesen Überzügen nicht mehr als lückenlos scheckheftgepflegt weiterverkauft werden kann. Uns geht es darum, einen fachmännischen Richtwert vorzulegen, ob und/oder über welche prozentuale Spanne bei einer Wertminderung bei dieser Fahrzeugkategorie geredet werden kann.Wir wären Ihnen sehr dankbar, wenn Sie uns Ihre Erfahrungen, unverbindlich, mitteilen können…“
Die Antwort des BVfK auszugsweise:
„… Wir können die Auffassung von Mercedes nicht teilen, dass eine solche Situation, wie sie von Ihnen beschrieben wird, automatisch zum Mangelhaftigkeit führt … Es gibt zur Problematik "scheckheftgepflegt" einige gerichtliche Entscheidungen. Tendenziell wird selbst das gänzliche Fehlen einer Inspektion als eher unproblematisch angesehen
… Einen Anspruch auf Kulanzzahlung gibt es nicht, da dies grundsätzlich freiwillige und nicht nach festen Regeln einforderbare Leistungen sind. Hieraus ergibt sich auch, dass es keine Richtwerte für Preisabschläge wegen verspätet durchgeführter Inspektionen gibt. Möglicherweise kann ein Gutachter hierzu eine Aussage treffen, die sich jedoch nur auf den Einzelfall beziehen könnte, da es in dem Zusammenhang selten identische Konstellationen gibt.
Der BVfK könnte noch nicht einmal die grundsätzliche Frage eines generellen Preisabschlags in Folge verspätet durchgeführter Inspektionen bejahen. Dies wäre sicherlich einfacher, wenn ein Defekt eintreten würde, der auch bei zeitlicher Beachtung der Herstellerempfehlungen zu den Inspektionsintervallen nachweislich nicht eingetreten wäre.
Es ist davon auszugehen, dass die Herstellerempfehlungen mit einem großen Sicherheitspolster kalkuliert wurden, welches zum Beispiel auch eine regelmäßig extreme Beanspruchung berücksichtigt. Insofern dürfte es bei heutiger moderner Technik und den z.B. auf Dauerbetrieb ausgelegten Schmierstoffen bei einem normal genutzten Fahrzeug durch eine verspätete durchgeführte Inspektion nicht zu Problemen kommen.
Es liegen auch keine Erkenntnisse über einen durch Angebot und Nachfrage gebildeten merkantilen Minderwert für die von Ihnen beschriebene Konstellation vor. In dem Zusammenhang wäre auch die Frage zu stellen, wie viele Fahrzeugbesitzer denn eine zeitliche Punktlandung schaffen und wie bedeutend dieser Aspekt bei der Kaufentscheidung eines durchschnittlichen Kunden ist…“
Soweit zwei Geschichten aus dem Autohändler-Alltag, welche die hohen Anforderungen im täglichen Bemühen um zufriedene Kundschaft deutlich machen. Das war zu DDR-Zeiten anders. Wer sich beim Händler nicht benahm, hatte keine Chance auf ein Auto, ob neu oder gebraucht, was automatisch zu einem anderen Reklamationsverhalten führte – falls es überhaupt nörgelnde Kunden gab.
Heute genießt der gesamtdeutsche Verbraucher Schutz bis zum geht-nicht-mehr, woraus sich zunehmend eine Anspruchshaltung entwickelt, die weitab von jeglicher Realität ist: Neuwagengleiche Eigenschaften bei 40% vom Neupreis, sprich 51.500,- € gespart, ohne das dem Auto sichtbar etwas fehlt. Dennoch keinerlei Bereitschaft, irgendein Risiko zu übernehmen – nicht einmal das, was noch gar nicht eingetreten ist.
Das darf nicht sein, insbesondere wenn das alles zur Verbaucherentmündigung und dem Abtrainieren jeglichen Risikobewustseins führt. Dennoch bewegen wir uns auf einem schmalen Grad, denn niemand will die Kundschaft generell vergraulen, oder die Verbreitung in den sozialen Netzwerken riskieren, womit unser abgewiesener Kandidat aus dem ersten Beispiel zunächst drohte.
Die BVfK-Schiedsstelle konnte dies verhindern, die BVfK-Rechtsabteilung nahm zur Frage des Wertverlustes bei überzogenen Inspektionsterminen Stellung und unterstützt den BVfK-Vorstand regelmäßig bei der rechtpolitischen Arbeit, damit die Kirche beim Anspruchsdenken der Kundschaft im Dorf bleibt und wir wieder einmal sagen können:
Alles Gute für Ihren Autohandel!
Ihr
Ansgar Klein
Geschäftsführender Vorstand
Bundesverband freier Kfz-Händler BVfK e.V.
Feedback immer gerne direkt an: vorstand@bvfk.de